Ein Herbstmorgen in Shanghai. Diese sonst unbeschreiblich lebendige Metropole Chinas ist noch müde.
Ich sitze inmitten der erwachenden Großstadt. Nur wenige Menschen zieht es so früh hinaus auf die weiten Flächen vor dem Fluss. Vom Trubel des gestrigen Tages und dem pulsierenden Leben des vergangenen Abends ist jetzt nichts zu spüren. Shanghai streckt sich noch kurz, die Stadt scheint sich noch einmal mit ihrem Kissen auf die andere Seite zu drehen und beschließt dann doch, die Augen zu öffnen und der aufgehenden Sonne entgegen zu blinzeln.
Es ist wahrlich noch früh am Morgen. Meine Familie und die Freunde in Deutschland sind wahrscheinlich gerade ins Bett gegangen. Wenn sie aufstehen, dann werde ich bereits wieder in einem Meer von Menschen, Farben und Düften inmitten moderner Wolkenkratzer baden oder durch die ehrwürdigen Häuser vergangener Jahrhunderte bummeln.
Aber noch liegt ein leichter Nebel über der Promenade am Ufer des träge dahinfließenden Huangpu. Die Sonne hat sich bereits ihren Weg durch die Silhouette der Großstadt gebahnt und schaut beeindruckt auf die Frühaufsteher am Rande des Flusses. Sie schaut nur kurz auf mich, auf den deutschen Touristen, der da einfach nur auf einer Bank sitzt und den Morgen genießt.
Sie schaut aber genauso fasziniert wie ich auf die Menschen vor mir, die einer chinesischen Kunst des Frühsports nachgehen, deren Namen ich nicht kenne. All diese mit sich und der Stadt im Einklang befindlichen Menschen scheinen mit geschmeidigen Bewegungen in den scheinbar lautlosen Rhythmus des aufbrechenden Tages zu treten. Keine Bewegung ähnelt der nächsten, aber alles bildet eine Harmonie.
Diese Ruhe und Harmonie findet man in hier am Bund, der bekannten Uferpromenade im Herzen von Shanghai, natürlich nur am frühen Morgen. In wenigen Stunden wird diese Stille abgelöst durch pulsierendes Leben, wie man es nur in wenigen Städten in China erlebt.
Shanghai scheint nicht nur mit jedem Tag zu wachsen. Diese Stadt macht es wirklich. Kaum jemand weiß, wie viel Zuwachs diese Metropole der Superlative jeden Tag bekommt. Auch die Anzahl der wöchentlich neugebauten Häuser wird wohl eher im Nebel liegen.
Der Nebel über dem Fluss gibt mittlerweile den Blick auf die in den Himmel ragenden Wolkenkratzer frei. Einige Kähne und Schlepper läuten den Arbeitstag ein. Der Oriental Pearl Tower auf der anderen Seite des Flusses streckt sich mit seiner ganzen Größe in den Himmel. Er wirkt auch am Morgen so majestätisch wie in der gestrigen Nacht, auch wenn all das faszinierende Spiel der Farben und Lichter für die Stunden bis zum Abend pausiert.
Heute geht es weiter. Wir werden Shanghai hinter uns lassen und ich freue mich auf die Reise in wunderbare Gebiete dieses riesigen Landes. Aber ich werde mit Sicherheit wieder kommen. Bis bald, Shanghai.